Wintercamping mit dem VW Camper / Alb- oder Alptraum?

Wintercamping mit dem VW Bus
Wintercamping mit dem VW Bus

Ein nicht ganz ernst zu nehmender Reisebericht unseres Betriebsausfluges in die österreichischen Alpen 2015.

Passend zum ersten Schneefall in Deutschland dieses Jahr machen wir euch hoffentlich damit Appetit auf ein Campingvergnügen der etwas anderen Art.

Also raus aus der Komfortzone und rein in den Schnee!

Bei uns im Ruhrgebiet zählt der Winter nicht unbedingt zu den beliebtesten Jahreszeiten. Der Himmel ist oft grau, die Temperaturen bewegen sich stets souverän knapp über dem Gefrierpunkt und lassen dem Niederschlag keine Chance, als als etwas anderes vom Himmel zu fallen als in jeder anderen Jahreszeit auch. Kurzum, es gibt Orte, an denen es einem der Winter leichter macht ihn zu mögen. Da ist es nicht besonders verwunderlich, dass der gemeine Ruhrpottbewohner keine besondere evolutionäre Affinität für den Schnee entwickelt hat. Aber: Es gibt ja noch die Zugezogenen. Leute wie mich und meinen Buddy Peter. Wir sind über Umwege aus dem schönen Sauerland nach Bochum, „…du Blume im Reviiiier…“ (Dein Wort in Gottes Ohr, Herbert!) gekommen.  Hier haben wir 2014 unseren Traum von einer eigenen Firma verwirklicht und bauen seit dem unter dem Namen „discarvery wohnbusse“ VW Transporter und Vans zu Campingbussen um.

Und es lässt sich leben, hier. Sehr gut, sogar.

Kultur, Sport, vielfältige Gastronomie, offene und ehrliche Menschen. Nur eben kein Schnee. Keine großen, weichen Flocken die vor dem Fenster sanft und friedlich zu Boden schleichen. Keine endlosen Drifts über zugeschneite Hauptstraßen während der Ausfahrten mit dem heckgetriebenen alten VW Bus. Keine beinahe kitschig anmutenden, verschneiten Landschaften mit sich unter der Last der Schneemaßen verbeugenden Bäumen.

Und kein Wintersport!

Natürlich ist es mittlerweile kein Problem mehr, sich für kleines Geld 10 Stunden in einen Reisebus zu setzen, in einem gemütlichen Hotel mit allabendlichem vier-Gänge Menu abzusteigen und danach noch die letzte Runde Strohrumaufguss in der hoteleigenen Sauna mitzunehmen. Alles kein Problem. Und das ist auch gut so.

Nur irgendwie hatten wir dieses Jahr nicht so Recht Lust auf das volle Wohlfühlprogramm. Es sollte irgendwie etwas mehr sein. Etwas mehr Abenteuer, etwas mehr Natur, etwas mehr wie diese Geschichten in den Sportmagazinen dieser Welt. Also was sollten wir machen? Nicht jeder bekommt, nur weil ihm irgendwie danach ist, vom Roten Stier einen Trip mit den besten Kumpels in die kanadische Wildnis, inklusive Hubschrauber, einem Filmteam das Peter Jackson vor Neid auf Gimlis Größe schrumpfen ließe, und einem nicht existentem Spesenlimit spendiert. Erst Recht keine Boarder wie wir, mit den Skills eines 6-jährigen Mädels aus Kitzbühel. 

Zwei Wochen später sitzen wir in meinem VW T5 Campingbus, die Boards hinten unter der Sitzbank verstaut, und rollen ganz entspannt mit 130 Stundenkilometern gen Süden. Es handelt sich um einen nicht mehr ganz neuen VW T5 Kastenwagen, den ich mit unserem „Schlafbus“ Ausbau eine Schlaf-/Sitzbank, ein Küchenmodul, Dämmung, Campingfenster und ein paar technische Gimmicks verpasst habe. Eigentlich eher für wärmere Jahreszeiten  konzipiert, sind Ausstattungsdetails wie eine komfortable Luftstandheizung, ein isoliertes Hochdach oder ein vollwertiger Schlafplatz für unseren dritten Mitfahrer, Marcus, nicht an Board. Aber genau so wollten wir es ja haben. Weniger Chichi, mehr Focus auf die einfachen Dinge.

Marcus ist ein alter Schulfreuend von mir, den es irgendwann ins schöne Rosenheim verschlagen hat. Wir haben uns nun eine ganze Weile nicht mehr gesehen und entsprechend groß ist meine Vorfreunde, während wir halb beschwingt, halb genervt von einem Wanda Song, das Münchener Allianzschlauchboot rechts liegen lassen.

Nach entspannten sieben Stunden Fahrt erreichen wir gegen 16:00 Uhr Rosenheim. Wir werden überschwänglich begrüßt und verbringen den Rest des Abends damit, in urigen Kneipen alte Geschichten auszugraben. Das wir dabei irgendwann aus dem lautstarken Lachen wohl nicht mehr rauskommen, muss ich mir am nächsten Morgen erzählen lassen.

Etwas gezeichnet von der vergangen Nacht aber gut gelaunt machen wir uns, nun zu dritt, auf den Weg nach Kitzbühel. Dort soll es einen schönen Campingplatz mit einem Abstellraum für das Wintersportgerät und einen Trockenraum für die zugehörige Bekleidung geben. Beides sehr vorteilhaft, wenn man plant mit drei erwachsenen Männern auf weniger als vier Quadratmetern sein Basislager zu errichten.

 

Die ersten verschneiten Berge tauchen auf
Die ersten verschneiten Berge tauchen auf
Reichlich Schnee auf dem Weg mit dem VW Camper Richtung Kitzbühel
Reichlich Schnee auf dem Weg mit dem VW Camper Richtung Kitzbühel

Je näher wir unserem Ziel kommen, desto weißer wird die Umgebung um uns herum. Nach dem bisher so schneearmen Winter freuen wir uns, als hätten wir noch nie zuvor Schnee zu Gesicht bekommen. Doch am Campingplatz lässt die erste Herausforderung dieses Trips nicht lange auf sich warten. Der Schnee ist zwar nicht hoch, doch gilt es auf dem Weg zu unserem Stellplatz eine Anhöhe zu erklimmen. Natürlich ist der Bulli mit den für einen solchen Trip obligatorischen, guten Winterreifen ausgestattet. Schneeketten haben wir ebenfalls eingepackt. Aber als Sauerländer über die Flachländer lachen, die beim geringsten Anzeichnen von einsetzendem Schneefall in eine Art Schockstarre verfallen (während Sie mit dem Auto auf der A40 unterwegs sind), und dann selber zu Hilfsmitteln greifen? Das muss auch ohne gehen. Etwas Anlauf genommen, Geschwindigkeit aufgebaut und… auf halben Weg stecken geblieben. Nur Gut, dass Herbert uns nicht sehen kann.

Aber, wie wir schnell vom freundlichen Campingplatzpersonal erfahren, ist man hier auf derartige Probleme eingestellt. Um unseren Bus aus der festgefahrenen Situation zu befreien, reichen ein paar helfende Hände des Platzwartes und einiger Mitcamper. Für größere Wohnmobile gibt es extra einen Traktor zum Abschleppen.

 

Notstellfläche auf dem Parkplatz wegen zuviel Schnee
Notstellfläche auf dem Parkplatz wegen zuviel Schnee
Ausweichstellplatz auf dem Camping Schwarzsee in Kitzbühel
Ausweichstellplatz auf dem Camping Schwarzsee in Kitzbühel

Im Gegensatz zur unprofessionellen Interaktion zwischen Gefährt und Untergrund, scheint unsere Zusammensetzung aus drei Männern und einem VW Campingbus ohne Hoch- oder Aufstelldach auf deutlich mehr Unverständnis und Kopfschütteln zu stoßen. „Wo wir denn alle schlafen wollten?“ fragt uns ein älterer Herr aus dem ausfahrbaren Erker seines Niesmann+Bischoff Reisemobils. Tja, gerne würde ich ihm eine schlagfertige Antwort geben, aber mir will in dem Moment beim besten Willen nichts Passendes einfallen. So zucke ich mit den Schultern und murmel mir ein leises „passt schon“ in den Bart. Denn tatsächlich haben wir uns noch nicht alle mit der Übernachtung zu dritt auf der 160cm breiten Schlafsitzbank angefreundet. „Passt schon“, murmel ich erneut, nun mehr zu mir selbst.

Aber erst mal geht  es nun auf die Piste. Denn schließlich sind wir ja zum Boarden hier.

Wir haben Glück. In den letzten Tag hat es reichlich Geschneit, sodass fast alle Pisten geöffnet sind. Heute jedoch schneit es nicht. Die Sonne scheint von einem wolkenlosen Himmel auf die verschneite Landschaft und die Lifte sind freitagsüblich leer. So hatten wir uns das vorgestellt.

Gegen 16 Uhr kommen wir ziemlich fertig von den vielen Abfahrten auf dem Parkplatz an der Talstation an. Zügig schmeißen wir die Boards in den Bus, wechseln auf bequemeres Schuhwerk und fahren zurück zum Campingplatz. Bei der Ankunft merken wir schon deutlich die gesunkene Temperatur. Also schnell den 230V Anschluss im Motorraum des Bullis versenkt und den kleinen Keramik-Heizlüfter angeworfen. Im Gegensatz zu Haushaltsgeräten haben diese speziellen Campingheizlüfter eine deutlich geringere Stromaufnahme, was gerade bei schlecht abgesicherten Stromnetzen wie sie auf vielen Campingplätzen vorhanden sind ein großer Vorteil ist. Das kleine Gerät erwärmt das Innere unserer Behausung tapfer brummend auf eine angenehme Temperatur, sodass wir unverzüglich zum gemütlichen Teil des Tages übergehen. Noch in den Skiklamotten steckend stoßen wir mit der ersten Runde Augustiner Hellem an. Der auf dem Tisch aufgebaute Gaskartuschenkocher erwärmt derweilen den für die Streckung des raren Williams benötigten Birnensaft.

Nachdem vom  selbstgebrauten Zaubertrank nicht mehr  als ein süßlicher Duft übrig ist, fällt uns auf, dass wir immer noch nichts gegessen haben.

Der Zaubertrank sorgt für die ersten schiefen Blicke
Der Zaubertrank sorgt für die ersten schiefen Blicke
Irgendwann stören dann auch die -15°C Außenstemperatur nicht mehr
Irgendwann stören dann auch die -15°C Außenstemperatur nicht mehr

Aber zum Kochen ist keinem von uns mehr zu Mute. Klar könnten wir auf unserem Gaskocher Nudeln kochen oder ein paar Dosen Hühnersuppe erwärmen, doch wir beschließen einstimmig heute außer Haus zu essen.

Zunächst versuchen wir unser Glück im campingplatzeigenen Gourmettempel. Doch schnell merken wir, dass irgendetwas hier nicht stimmt: Ah, alle sprechen, johlen und schreien auf Französisch. Es wird angestoßen, umarmt und, soweit wir das verstehen, auch gratuliert. Muss wohl ein französischer Geburtstag sei. Doch dann fügt sich eins zum anderen: Die vielen mit Aufklebern von Skifirmen übersäten VW Busse auf dem Campingplatz, die gesperrten Pisten; DAS HAHNENKAMMRENNEN! Es ist das Wochenende der Streif, wir sind in Kitzbühel und die Franzosen haben heute nicht nur die ersten drei Plätze in der Kombination, sondern auch gleich das ganze Wirtshaus und den halben Campingplatz belegt. Hier feiern Worldcup Sieger! Nachdem ich mehrfach halbherzig und ohne rechten Erfolg  versucht habe die Marseillaise anzustimmen, suchen wir schnell das Weite und unser Glück in der Flucht nach vorne. Also  hopp ins Taxi gesprungen und ab nach Kitzbühel City.

Ich will es mal so sagen: Es ist total abgefahren! Eingefleischte Fans von als solchen fehltitulierten kulturellen Highlights wie dem Karneval oder dem in unserer Heimat üppig zelebrierten Schützenfest habe ich selten betrunkener gesehen.  Wie auf dem Oktoberfest haben die horrenden Preise auch in Kitzbühel anscheinend niemanden davon abgehalten sich derart einen hinter die Binsen zu kippen, dass die generellen Sprachproblem zwischen uns Deutschen und den vielen anderen anwesenden Nationen überhaupt keine Rolle mehr spielen. Es lallen eh alle nur noch unartikuliert durcheinander. Wer sich an die Szene in der Hotelbar im Film „Fear and loathing in Las Vegas“ erinnern kann, weiß, wie wir uns vorkommen.

Eine Pizza und eine kurze Taxifahrt später sind wir wieder auf dem Campingplatz und versuchen unseren Camper für die Nacht herzurichten. Die größte Herausforderung besteht darin, die vielen Klamotten die sich mittlerweile überall auftürmen und die drei großen Taschen irgendwo unterzubringen. Hier gilt der Klassiker: Weniger ist mehr. Packt nur das ein, was ihr wirklich braucht!

Die Taschen passen super unter das vordere Element des Betts, Einiges kommt auf den Vordersitzen unter und der Rest wandert in den Kofferraum. 

Spätestens beim ersten Probeliegen auf dem 190 x 150cm großen Bett verfluche ich Marcus´ ans Neurotische grenzenden Langstreckenausflüge mit dem SUP auf dem Chiemsee. Macht ein verdammt breites Kreuz, das

Aber es geht, irgendwie. Durch die beiden leicht geöffneten Campingfenster weht die ganze Nacht ein leichter Hauch durch unseren Bus und hält zusammen mit dem auf kleinster Stufe säuselnden Heizlüfter die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit auf einem angenehmen Niveau. Nur am nächsten Morgen fällt mir ein Tropfen von dem unverkleideten D-Holm über meinem Kopf auf die Nase und weckt mich aus meinem leichten Schlaf. Die nackten Metallteile sind leider extreme Kältebrücken und dort neigt die Luftfeuchtigkeit zum Kondensieren.

Anscheinend habe ich als Einziger, meiner Meeresfrüchtepizza sei Dank, eine miserable Nacht hinter mir. Die anderen beiden schnorcheln noch leise und selbstzufrieden vor sich hin.

Frühstück zu dritt im VWT5 Schlafbus Ausbau
Unser Bayer beim Frühstück zu dritt im VW T5 Schlafbus Ausbau
Selbst on the road immer bei der Arbeit...
Selbst on the road immer bei der Arbeit...

Also beschließe ich für alle Frühstück zu besorgen. Ein ordentlicher Kaffee lässt einen doch fast immer die Qualen einer schlafarmen Nacht vergessen. Ein an den Campingplatz angrenzender Bioladen bietet Brötchen, Aufschnitt, Joghurts und Kaffee zum Mitnehmen an. Na gut, eine andere Sorte als „Diestel – Klabusterbeere“, z.B. Erdbeer, hätte es für meinen Joghurt auch getan. Aber was solls, der Kaffee ist heiß und schmeckt mir an diesem Morgen wie schon lange nicht mehr. Wir sitzen am ausgeklappten Tisch unseres Küchenmoduls und frühstücken ausgiebig. Der Nachbar mit dem monströsen Reisemobil hält auf dem Weg zum allmorgendlichen Termin mit den etwas in die Jahre gekommenen sanitären Einrichtungen kurz an und erkundigt sich nach unserem Wohlbefinden. Anscheinend hat er sich Sorgen gemacht wir würden die Nacht nicht überleben. Wir belehren ihn eines Besseren und er zieht weiter. Die Klopapierrolle lugt dabei etwas aus seiner Bademanteltasche heraus und lässt ihm ein kleines, weißes Fähnchen folgen. Auf dem Campingplatz darf halt jeder Mensch sein, auch das Vorstandsmitglied eines großen bayrischen Automobilherstellers.

Nach dem Frühstück wird es für uns Zeit die Sachen zu packen. Lange Unterhosen werden in Rucksäcke gestopft und die Boards und Boots aus dem beheizten Skiraum geholt und verstaut.

Dann verlassen wir den Campingplatz über die verschneite Nebenstraße Richtung Rosenheim.

 

Einige Tage später sitzen wir wieder in unserem Bochumer Büro und ich versuche ein paar Worte zu unserem Abenteuertrip zu schreiben. Tja, eine Nacht in einem gut beheizten Campingbus auf einem Campingplatz in einem Nobelskiort zu verbringen - ist das Abenteuer, Rock’n´ Roll, Freiheit?

Nüchtern betrachtet wohl eher nicht.

Aber das Gefühl mit ein paar Kumpels einfach mal etwas Anderes, vielleicht auch etwas Bescheuertes zu machen ist schon verdammt gut. Ja, fast schon abenteuerlich…

Also folgt der alten Surfer Weisheit „If in doubt, paddle out“, packt euren Bus mit ein paar Boards und netten Leuten voll und ab geht´s in den etwas anderen Skiurlaub. Damit ihr nicht übermäßig viel Lehrgeld zahlen müsst,  habe ich für euch die wichtigsten Tipps mal zusammengefasst.

 

 

 

·         Prüft den Stand und den Frostschutzgehalt des Wischwassers (Im Zweifel einfach mit unverdünntem Konzentrat auffüllen)

 

·      Schmiert die Dichtungen von Türen und Kofferraumklappe mit einem Pflegemittel ein. Damit bleiben sie geschmeidig und frieren bei niedrigen Temperaturen nicht fest.

 

·       Sorgt während des Aufenthalts für eine gute Belüftung. Nur so kann die Feuchtigkeit aus Atem, nassen Klamotten, etc. aus dem Auto. Sonst tropft es überall von der Decke und die Scheiben werden die nächsten Wochen jeden Morgen beschlagen sein.

 

·      Nehmt nur das wesentliche mit und packt es planvoll in möglichst kleine Taschen. Gerade bei kalten Temperaturen ist es besser, seine Klamotten direkt parat zu haben und nicht erst zum Kofferraum laufen zu müssen.

 

·         Benutzt nur Heizlüfter mit geringer Leistung und temperaturgeregelter Abschaltung.

 

·         Ein flauschiger Bademantel ist perfekt für den Weg zur warmen Dusche und zurück

 

·         Erwärmt einen Liter Birnensaft auf dem Gaskocher und füllt mit einer Flasche Williams Christ auf. Danach sind eh alle Sorgen und Problemchen  vergessen.

 

 

 

 Sebastian Hoffmann